Ostererfahrung in Mi’ilya, Israel

Unsere Mitschwester Monika Krämer, die schon lange Zeit in Mi’ilya, das im westlichen Galiläa, im Nordbezirk Israels liegt, lebt, teilt mit Ihnen und Euch ihre Ostererfahrung, die sie mitten in dieser angespannten Situation gemacht hat:

Die Fastenzeit wurde hier mit vielen Gebeten gefeiert. Jeden Tag gibt es ein langes Gebet in der Kirche. Es sind immer viele Leute da und die gleichen Psalmen werden wiederholt. Die Lieder berühren mich: „Herr der Heerscharen, sei mit uns. Wir haben keine Hilfe außer dir. ¨ Wie real sind diese Worte. Keiner von uns weiß, was morgen sein wird. Wir können nichts sichern. Aber es gibt die Gewissheit, die auch in diesem Gebet zum Ausdruck kommt: „Gott ist mit uns. Die Völker sollen es wissen und fliehen, denn Gott ist mit uns.

Wenn die Situation ein Meer von Eindrücken in uns hervorruft, wenn wir uns zwischen der Sicherheit des Glaubens und der menschlichen Ungewissheit befinden und der Verstand diese Spannung nicht auflösen kann, dann helfen die Worte des Gebets, die andere formuliert haben, wie die Psalmisten und die Kirchenväter. Ihr Gebet wird zu meinem und die Erfahrung ihrer Zuversicht wird zu meiner. Was für ein Geschenk ist die Kirche, was für ein Schatz ihr Glaube. Ich muss nicht alles bis zum Ende durchdringen. Ich werde getragen von der Weisheit und der Glaubenserfahrung so vieler, die viel schwierigere und kompliziertere Situationen durchgemacht haben, und deshalb kann man merken, dass ihre Worte nach Wahrheit ‚schmecken‘.

Alle Feiern müssen von den örtlichen Militärbehörden genehmigt werden. Aber in unserem Dorf erteilen sie die Erlaubnis sogar für große Feste wie die Palmsonntagsprozession, bei der der Kirchplatz voller Familien mit ihren weiß gekleideten Kindern ist, die Kerzen und bunte Blumen tragen. Das Militär hält sich im Hintergrund, um uns zu schützen und im Notfall reagieren zu können. Aber der Tag geht ohne Probleme vorüber und das Dorf feiert reichlich Essen in den Häusern.

Ich bin fasziniert und staune über die Entschlossenheit Jesu, nach Jerusalem zu gehen. Das „Jerusalem“ von heute sind all diese Orte, an denen der Tod droht. Es sind die Orte, an denen Glaube und Leben bedroht sind. Gerade hierhin, in diese Welt, kommt Jesus immer wieder und entscheidet sich dafür, die Liebe gegenwärtig zu machen – trotz allem und gerade dort, wo es keine Möglichkeit der Vergebung zu geben scheint, wo so viele leiden, vergessen und allein sind.

Dein sein, Herr, Dir ganz gehören, ganz, rückhaltlos, um ein Same des Friedens und der Vergebung zu sein. …. ,nicht gegen die Situation, sondern vom Herzen her, um das, was dein ist, von innen her wachsen zu lassen. Denn nur das Leben, das wächst und die Kraft des Frühlings hat, wird siegen können. Alles, was von außen kommt, ist vorübergehend. Die Gewalt kann noch eine Weile überdeckt werden vom Sieg im Krieg. Aber die Wurzel des Bösen wird bleiben und sogar noch stärker werden.

Am Mittwoch der Karwoche hatten wir eine kleine Feier im ‚Altenclub‘. Als ich ankomme, ist die Atmosphäre ein wenig nervös und angespannt. Die Sozialarbeiter haben es eilig und sagen mir, ich solle den geistlichen Teil, den ich vorbereitet habe, verlängern. Dann erklären sie mir, was passiert ist. Sie hatten einen Mann gebeten, Programm zu machen. Aber er rief eine halbe Stunde vorher an und sagte, dass er nicht kommen würde. Er war schon auf dem Weg, als es einen massiven Angriff auf ein Dorf im westlichen Galiläa gab. Sein Neffe, der in seinem kleinen Geschäft in diesem Dorf arbeitete, wurde von einer der Raketen getötet. Ein 25 Jahre alter junger Mann. Das Bild des jungen Mannes wird veröffentlicht. Durch sein Bild bekommt für mich der Krieg ein ‚Gesicht‘, das Gesicht des Unmenschlichen, das plötzlich in mein Herz dringt. Und in dieser Situation – ein Fest feiern?  Ja, ja. Nicht das laute Fest, sondern das Fest des Glaubens. Ich spreche von dem Weizenkorn, das in die Erde fallen muss, um Früchte zu tragen. Wenn wir viel Liebe wollen, muss sie gesät werden. Und wenn wir friedliche Beziehungen wollen, müssen wir unser Leben im Verborgenen säen und verschenken.

Am Gründonnerstag gibt es auch viele Flugzeuge, die man den ganzen Tag über hören kann. Das macht mir deutlich, dass das letzte Abendmahl kein Familienessen in fröhlicher, festlicher Atmosphäre war. Es war eine Feier in einer Atmosphäre höchster Anspannung.  Aber Jesus sagt: ‚Wie sehr habe ich mich danach gesehnt, dieses Passah mit euch zu essen‘. Die Antwort auf die zunehmende Gewalt ist die Erneuerung seines Bundes mit dieser Welt.

Bei der Feier des Begräbnisses Jesu klingeln die Telefone der Menschen. In mehreren nahen gelegenen Dörfern herrscht Alarm; nicht in unserem. Aber in einem anderen christlichen Dorf, das etwas weiter nördlich liegt, heulen die Sirenen genau zur Zeit dieser Feier. Später erfuhren wir, dass die Feier dort weiterging, aber viele Menschen nach Hause gingen. Diejenigen, die Kinder oder alte Menschen zu Hause haben, ziehen es vor, bei ihnen zu bleiben. Aber in der Kirche machen sie weiter, denn sie erreichen den Schutzraum auf keinen Fall, und so ist das Beste, was sie tun können, weiter zu beten, denn nach Hause zu gehen ist genauso gefährlich oder sogar noch gefährlicher.

Die größte Gefahr besteht, wenn Raketen, die auf militärische Einrichtungen abgefeuert werden, in der Luft abgefangen werden. Dann fliegen die Teile der Raketen in alle Richtungen. Das ist vor ein paar Sonntagen in Jish passiert. Rund um die Kirche fielen Teile herunter. Der Bischof kam gerade in die Kirche, um die Messe zu feiern, als der Alarm zu hören war und ein Stück fiel auf den Kirchenvorplatz direkt vor ihn. Er erschrak sich sehr, wurde aber Gott sei Dank nicht verletzt.

Nach der Ostermesse besuchte ich eine Familie, die ein Essen für die ganze Großfamilie zubereitete. Wir saßen draußen, die jungen Leute tanzten und grillten, als plötzlich der Alarm los ging. Ein Flugzeug war über die Region geflogen. Alle nahmen Zuflucht in verschiedenen Räumen des Hauses. In dem Raum, in dem ich saß, waren etwa zwanzig Leute. Ein Mann begann den Osterhymnus zu singen: „Der Herr ist auferstanden von den Toten, er hat den Tod mit dem Tod zertreten und denen, die in den Gräbern waren, das Leben gegeben.“ Der Ruf der Auferstehung, erscholl in all seiner Macht. Ja, wir glauben, dass das letzte Wort der Auferstandene hat!  Wir wollen weiterleben, und wir wollen weiter an andere denken, teilen.

Am Ostermontag fuhren wir zum See Tiberias, wo Jesus nach der Auferstehung Petrus traf. Als wir den Ort betraten, sahen wir als erstes unsere Nachbarn, dann eine ganze Gruppe von Familien aus dem Dorf. Es war, als ob die Auferstehung uns vereint hatte und uns zeigte, dass sie alle auch unsere Familie sind. Der Herr hatte uns diesen Tag der Geschwisterlichkeit vorbereitet, der uns bestätigt, dass die Einheit, die er uns schenkt, die letzte Wirklichkeit ist, die bleibt.

Der Herr ist wirklich auferstanden, und wir haben ihn am See gesehen!

Frohe Ostern für alle – und die wahrhaftigste Hoffnung, die alle Finsternis überwindet.

¡Al Masseeh qaam, haqqan qaam!