Exerzitien im Alltag 2020 – „Was für ein Alltag?“

Ein Zeugnis von Ruth:

Fastenzeit 2020: fünf Wochen, die ganz anders verlaufen sind, als zunächst gedacht.

Von außen betrachtet: Zwar war die äußere Struktur durch eine liebevoll gestaltete Mappe mit Hinweisen für die eigene Tagesstruktur, einem Ablaufschema der Treffen etc. vorgegeben, doch schon nach der ersten Woche konnte man ahnen, dass sich durch das Corona-Virus gerade die äußeren Umstände und somit unser „Alltag“ von Tag zu Tag ändern würde.

Von innen betrachtet: Innerlich wurden diese Exerzitien für mich zu einer neuen Einübungszeit. Die erste kreative und technische „Einübung“ bestand darin, z.B. mich auf die über WhatsApp zugeschickten Impulse und Gebete einzulassen und den Austausch über Skype durchzuführen. Diese „Übung“ war für mich noch relativ gut umsetzbar.

Mein Wunsch zu Beginn der Exerzitien war es aber, gerade in meinem Alltag, Jesus mehr zu erkennen und ihn dort hineinzulassen. Doch, wie sollte das gehen, wenn dieser Alltag komplett auf den Kopf gestellt ist und ich damit beschäftigt bin, mich irgendwie an diese Veränderungen anzupassen? Hier bedarf es einer ganz anderen „Einübung“, wie ich im Laufe der fünf Wochen gemerkt habe.

Während der Exerzitien begannen wir unser „Lebenshaus“ zu erneuern, indem wir in der ersten Woche unseren Boden bereiteten, danach unser Fundament genauer betrachteten, Jesu als Eckstein gesetzt und mit ihm Stolpersteine weggeräumt haben sowie in der letzten Woche mit Gottes Kraft zum Meilenstein wurden. Hier ein paar Gedanken von meiner geistigen „Einübungszeit“:

  1. Unser „Lebenshaus“ wird immer wieder durch äußere Einflüsse bauanfällig und wir sind somit gezwungen, dieses zu erneuern und an neue Bedingungen anzupassen. Das dieses Jahr das „Lebenshaus“ durch das Corona Virus einmal komplett durchgeschüttelt wird, hätte am Anfang wohl keiner gedacht. Zu Beginn bestand die Einübung bei mir darin, zu akzeptieren, dass es nicht möglich ist, Dinge festzuhalten. Für mich bedeutete dies, die Veränderungen, welche das Corona-Virus in meinen Alltag gebracht hat, zunächst zuzulassen (äußerlich: u.a. Homeoffice, soziale Isolation; innerlich: u.a. Angst, Sorge um Angehörige, um die politische Lage, Wut über Ungerechtigkeiten), diese vor Gott zu bringen und sie ihm ein Stück weit zu überlassen.

  2. In den ersten Tages- und Wochenrückblicken habe ich gemerkt, dass ich unglaublich schnell von YouTube Videos und Internetnachrichten eingenommen wurde und mich darin verfing. So kreiste ich sehr schnell um mich selber, z.B. wenn es darum ging, dass ich essenstechnisch noch unbedingt etwas brauchte. Mir wurde bewusst, dass ich mich dadurch unfrei/ fremdbestimmt fühlte. Mein Wunsch war es aber, Gottes Liebe als Fundament in meinen Alltag zu entdecken. Mir wurde deutlich, dass bedarf gerade in dieser Zeit einer noch klareren Entscheidung und Ausrichtung von mir. Ich versuchte, die Nachrichten auf das Wesentliche zu reduzieren und mir auch ganz bewusst Zeit für das Gebet und Jesu Worte zu nehmen, indem ich z.B. die Bibelstellen für die Tage in unsere WhatsApp-Gruppe hineinsprach, wodurch diese auch mehr in meinem Gebetsleben Platz fanden. Dabei wurde mir der Bibelvers „Bleibt in meiner Liebe“ (Joh. 15, 9) in meinem „neuen Alltag“ zur Erinnerungshilfe, um aus dem Kreisen um mich selber herauszukommen, inne zu halten und Jesus zu fragen: „Wie würdest du jetzt in meiner Situation handeln?“

In dieser Zeit ist mir auch wieder bewusst geworden: was für ein Geschenk es ist, sich gemeinsam beim „Einüben“ zu begleiten. Danke nochmal dafür!

Ruth